Altägypten



Das Neue Reich


1532 bis 1070 v. Chr.


Reden der Liebenden. Erste Sammlung [1]

Einzelne kleine Lieder, die unter sich keinen Zusammenhang haben. Bald ist es der eine und bald der andere Teil der Liebenden, der seine Leiden klagt und seine Wünsche ausspricht.

(Das Mädchen spricht.)
- - - - mein Gott. Du mein Bruder, es ist süß zum (Teiche) zu gehen, um vor dir mich zu baden, dass ich dich meine Schönheit sehen lasse in meinem Hemd von feinstem Königsleinen, wenn es benetzt ist [2] . . . Ich steige mit dir ins Wasser hinab und komme wieder herauf zu dir mit einem roten Fische, der schön auf meinem Finger liegt (?) - - - - Komm und sieh mich an.

(Der Jüngling spricht.)
Die Liebe meiner Schwester ist auf jener Seite da, ein Fluß ist zwischen (uns beiden) und ein Krokodil liegt auf der Sandbank. Doch wenn ich ins Wasser gestiegen bin, so trete ich auf die Flut; mein Herz ist mutig auf dem Gewässer . . . und das Wasser ist meinen Füßen wie Land. Ihre Liebe ist es, die mich so stark macht; ja sie macht den Wasserzauber [3] für mich.

Ich sehe wie meine Schwester kommt und mein Herz jubelt. Meine Arme sind ausgebreitet, sie zu umarmen und mein Herz frohlockt auf seiner Stelle [4] wie ein . . . ewiglich, wenn die Herrin zu mir kommt.

Umfasse ich sie und ihre Arme sind ausgebreitet, so ist mir, als wäre ich einer aus Punt [5] - - - - Salbe.

Küsse ich sie und ihre Lippen sind offen, so bin ich fröhlich (auch) ohne Bier. - - - - Das folgende spricht der Jüngling wohl zu seinem Diener: ich sage zu dir: lege das feinste Leinen zwischen ihre Glieder, bette sie nicht in Königsleinen [6] und hüte dich vor weißem Leinen [6]. Schmücke (ihr Lager mit . . . ) und beträufele es mit Tischepesöl [7].

Ach, wäre ich doch ihre Negerin, die ihre Begleiterin ist; dann sähe ich die Farbe aller ihrer Glieder.
Ach, wäre ich doch der Wäscher . . . in einem einzigen Monat, . . . ich wüsche die Salben aus, die in ihrem Kleide sind - - - -.
Ach, wäre ich doch ihr Siegelring, der an (ihrem Finger?) steckt - - - -

[1] Auf einem Ostrakon in Kairo. Entdeckt 1897 von Spiegelberg.
[2] also am Körper
[3] gegen die Krokodile
[4] nach ägyptischer Vorstellung liegt das Herz auf der Unterlage und ist nur froh, solange es auf der bleibt.
[5] das Land der Wohlgerüche; so süß duftet die Geliebte nach ihren Salben.
[6] das müssen also geringere Arten Leinen sein, wenigstens in dieser Zeit.
[7] ein berühmter Wohlgeruch

Unbekannter Verfasser, aus dem Neuen Reich, 1532 bis 1070 v. Chr.
Übersetzer: Adolf Erman, 1854-1937



Reden der Liebenden. Zweite Sammlung [1]

(Das Mädchen spricht.)
- - - - das Vergnügen. Wünschst du meinen Schenkel zu streicheln, so wie meine Brust dich . . . . Willst du denn fortgehen, weil du an Essen gedacht hast? Bist du denn ein Gieriger [2] ? Willst du denn fortgehen und dich ankleiden? Ich habe doch ein Laken. Willst du denn fortgehen, weil (du durstest?)? Nimm dir meine Brust; was sie hat, fließt für dich über. Schön ist der Tag, wo - - - -

Die Liebe zu dir ist in meinem Leib gedrungen wie . . . der sich mit Wasser mischt, wie der Liebesapfel, wenn zu ihm . . . gemengt wird und wie der Teig mit . . . gemischt wird. Eile, um deine Schwester zu sehen, wie ein Pferd - - - -

(Der Jüngling spricht.)
- - - - das . . . der Schwester ist ein Feld (?) mit Lotusknospen und ihre Brust eines mit Liebesäpfeln. Ihre Arme sind - - - -. Ihre Stirn ist die Vogelfalle aus Meruholz und ich bin die Gans, die durch den Wurm hineingelockt ist.

(Das Mädchen spricht.)
Hat denn mein Herz nicht Mitleid mit deiner Liebe zu mir? Mein junger Wolf ist . . . deine Trunkenheit. Ich werde von deiner Liebe nicht lassen, auch wenn man mich (?) prügelte - - - - bis nach Palästina mit Schebet [3] und Keulen, und nach Äthiopien mit Palmruten, bis zu dem Hügel mit Stöcken und zu dem Acker mit Knüppeln. Ich werde auf ihre Gedanken nicht hören, so dass ich die Liebe verließe.

(Der Jüngling spricht.)
Ich fahre auf der Fähre stromab - - - - mit meinem Bündel Schilf auf der Schulter [4]. Ich will nach Memphis und werde zu Ptah, dem Herrn der Wahrheit, sagen: "gib mir heut Nacht meine Schwester." Die Flut ist Wein [5], Ptah [6] ist ihr Schilf, Sechmet ist ihr Lotus, Earit ist ihre Knospe und Nefertem ihre Blume (?) - - - - Es tagt durch ihre Schönheit. Memphis ist eine Schale mit Liebesäpfeln, die vor den Schöngesichtigen [7] gelegt ist.

Ich werde mich in mein Haus legen und werde krank sein durch Unrecht. Meine Nachbarn werden hereinkommen, um nach mir zu sehen. Kommt meine Schwester mit ihnen, so wird sie die Ärzte zu schanden machen, denn sie kennt mein Krankheit.

Das Schloss der Schwester, ihr Tor (?) liegt in der Mitte ihres Hauses und ihre Türflügel stehen offen . . . die Schwester kommt zornig heraus [8]. Ach, würde ich doch zum Türhüter gemacht, dass sie auf mich schölte; so würde ich ihre Stimme hören, wenn sie zürnt, als ein Kind voller Schrecken vor ihr.

(Das Mädchen spricht.)
Ich fahre herab (zu) dem Wasser des Herrschers (?) [9] und komme hinein in das Re [9]. Mein Wunsch ist zu gehen dahin, wo man die Zelte aufschlägt, bei dem Öffnen der Mündung des Mertiu [9]. Ich will mich daran machen zu laufen; ich schweige nicht, wenn mein Herz des Re gedenkt. So werde ich sehen, wie mein Bruder hineinkommt, wenn er zu dem . . . geht [10].
Stehe ich bei dir der Mündung des Mertiu, so (führst?) du mein Herz nach Heliopolis (zu) Re. Ich ziehe mich mit dir zurück zu den Bäumen der . . . häuser [11]. Ich nehme die Bäume der . . . häuser (zum ?) Griff an meinem Wedel. Ich werde sehen, was er tut, wenn mein Gesicht auf die . . . blickt. Meine Arme sind voll von Perseazweigen und mein Haar beugt sich vor Salbe. Ich bin wie eine (Prinzessin?) des Herrn der beiden Länder, wenn ich in deinen Armen bin.

[1] auf der Vorderseite des Papyrus Harris 500 in London, die etwa unter Sethos I. geschrieben ist. entdeckt von Goodwin. Vgl. W. Max Müller, Liebespoesie.
[2] eigentlich: "ein Mann seines Bauches".
[3] das hebräische Wort für Stock.
[4] hat er das geholt und bringt es nach Memphis?
[5] In seiner Freude zu der Geliebten zu kommen, erscheint ihm die Welt verklärt und überall sieht er schon die Götter ihrer Stadt.
[6] Ptah ist der Gott von Memphis; die Kriegsgöttin Sechmet ist die Geliebte des Ptah und Nefertem, der selbst Blumengestalt hat, ist beider Kind.
[7] Name des Ptah.
[8] zornig auf den kleinen Türhüter, der die Tür nicht verschossen hält.
[9] Wohl alle Kanäle bei Heliopolis. Es handelt sich wohl um die feierliche Öffnung des Hauptkanals bei Beginn der Überschwemmung - ein Volksfest. wie es vor kurzem noch bei Kairo gefeiert wurde; dabei waren in der Tat Zelte für die Behörden aufgeschlagen.
[10] läuft sie ihm jubelnd entgegen, wenn er in den Kanal hineinfährt?
[11] das wird ein Ort oder Garten bei Heliopolis sein; das Folgende schildert offenbar ihre stolze Seligkeit, ist aber im einzelnen unklar.

Unbekannter Verfasser, aus dem Neuen Reich, 1532 bis 1070 v. Chr.
Übersetzer: Adolf Erman, 1854-1937



Das Mädchen auf der Flur [1]

Die schönen heiteren Lieder deiner Schwester, die dein Herz liebt, und die von der Flur kommt.
Mein geliebter Bruder, mein Herz steht nach deiner Liebe - - - - . Ich sage dir: "sieh, was ich tue. Ich bin gekommen und fange mit meiner Falle in meiner Hand und meinem . . . und meinem . . . Alle Vögel von Punkt [2], die lassen sich auf Ägypten nieder, mit Myrrhen gesalbt. Der als erster kommt, der nimmt meinen Wurm [3]; seinen Geruch bringt er aus Punkt und seine Krallen sind voll Salbe.
Mein Wunsch an dich ist, dass wir sie zusammen lösen [4], ich allein mit dir, dass du hörest das Schreien meines Myrrhengesalbten.
Wie schön wäre es, wenn du dort mit mir wärest, wenn ich die Falle aufstelle. Das Schönste ist zum Felde zu gehen zu dem, der geliebt wird.

Die Stimme der Gans schreit, die an ihrem Wurm gefangen ist, aber die Liebe zu dir hält mich zurück und ich kann sie nicht loslösen. Ich werde meine Netze abnehmen; was soll ich meiner Mutter sagen, zu der ich jeden Abend gehe, mit Vögeln beladen?

"Hast du denn heut keine Falle gestellt?" [5] Deine Liebe hat mich fortgeschleppt.

Die Gans fliegt und lässt sich nieder - - - - , die vielen Vögel ziehen umher, doch ich kümmere mich nicht um sie, denn ich habe nur meine Liebe, die von mir allein. Mein Herz ist dem deinen ebenmäßig (?), ich entferne mich nicht von deiner Schönheit.

- - - - ich sehe süßen Kuchen und er schmeckt mir wie Salz, und Schedehtrank [6], der (sonst) süß war in meinem Munde, der ist mir wie Vogelgalle. Der Geruch deiner Nase allein [7] der ist es, der mein Herz belebt; (dann) habe ich gefunden, dass mir Amon gegeben ist [8] immer und ewiglich.

Du Schönster, mein Wunsch soll sein, dass ich dich liebe als deine Hausfrau, dass mein Arm auf deinem liegt - - - - Wenn mein älterer Bruder heut Nacht nicht bei mir ist, so bin ich wie der Begrabene, denn bist du nicht Gesundheit und Leben? - - - -

Die Stimme der Schwalbe redet; sie sagt: "die Erde wird hell, was ist dein Weg?" [9] Nicht doch, du Vogel. Du kränkst (?) mich; ich habe meinen Bruder in seinem Bette gefunden und mein Herz freut sich . . . Er sagt zu mir: "ich werde mich nicht entfernen und meine Hand bleibt in deiner Hand. Ich ergehe mich und bin mit dir zusammen an jedem schönen Orte." Er macht mich zum ersten der Mädchen und kränkt nicht mein Herz.

Ich lege mein Gesicht an die Außentür; siehe mein Bruder kommt heute zu mir. Meine Augen sind auf den Weg gerichtet und mein Ohr horcht - - - - . Ich machte die Liebe meines Bruders zu meiner einzigen (?) Angelegenheit, denn für ihn (?) schweigt mein Herz nicht.

Er sendet mir einen schnellfüßigen Boten, der kommt und geht, um mir zu sagen: Unrecht ist mir geschehen (?) [10] - - - - Was soll es, dass du das Herz eines andern kränkst und mich . . . ?

Mein Herz gedenkt deiner Liebe. Die Hälfte meiner Schläfe ist (erst) geflochten, wenn ich eilends dich zu suchen komme. Ich kümmere mich nicht (mehr) um meine Frisur, doch wenn du mich noch liebst (?), so lege ich meine Flechten an, dass ich fertig sei zu jeder Zeit. [11]

[1] auf der Vorderseite des Papyrus Harris 500 in London, die etwa unter Sethos I. geschrieben ist. entdeckt von Goodwin. Vgl. W. Max Müller, Liebespoesie.
[2] eigentlich: "ein Mann seines Bauches".
[3] den Köder der Falle.
[4] die Vögel aus der Falle.
[5] fragt wohl die Mutter.
[6] ein süßes, berauschendes Getränk.
[7] die Ägypter küssten, wenigstens in ältester Zeit, mit Berührung der Nasen; vielleicht geht es darauf.
[8] Sinn?
[9] du musst fortgehen?
[10] der Sinn des Folgenden ist, dass er sich entschuldigt und sie es nicht glaubt.
[11] mit der Perücke schmücken, die Ägypterinnen über ihrem eigenen Haare zum Staat trugen.

Unbekannter Verfasser, aus dem Neuen Reich, 1532 bis 1070 v. Chr.
Übersetzer: Adolf Erman, 1854-1937



Die Blumen im Garten [1]

Das Mädchen sieht die Blumen des Gartens an - flicht sie einen Kranz? - und denkt bei einer jeden an ihre Liebe. Jedes Lied beginnt mit einem Blumennamen, an den sich dann der erste Vers mit einem Wortspiele knüpft.

Die "Heiteren Lieder".
Mechmechblumen! du machst das Herz ebenmäßig (?) [2], ich tue dir das, was es wünscht, wenn ich in deinen Armen bin. Meine große (?) Bitte ist Schminke für mein Auge [3] und wenn ich dich sehe, ist es Licht für meine Augen dich. Ich schmiege mich an dich, weil ich deine Liebe sehe, du Mensch, den ich am meisten (?) begehre.
Wie schön ist doch meine Stunde! möchte mir eine Stunde zur Ewigkeit werden, wenn ich mit dir schlafe. Du hast (?) mein Herz erhoben - - - - als es in Nacht (?) gewesen war.

Seamublumen sind in ihm! Man wird vor ihnen groß gemacht [4]. Ich bin deine Schwester. Ich bin für dich wie der Garten, den ich bepflanzt habe mit Blumen und mit allerlei süßduftenden Kräutern. Schön ist der Kanal in ihm, den deine Hand gegraben hat, bei der Kühlung des Nordwinds. Der schöne Ort, wo ich mich ergehe, wenn deine Hand auf meiner liegt und mein Herz wird satt von Freude, weil wir zusammengehen. Schedehtrank [5] ist es, dass ich deine Stimme höre und ich lebe, weil ich sie höre. Wenn immer ich dich sehe, so ist mir das besser als Essen und Trinken.

Zaitblumen sind in ihm! Ich nehme [6] deine Kränze, wenn du trunken kommst und auf deinem Bette liegst. Ich werde deine Füße streicheln - - - -

[1] auf der Vorderseite des Papyrus Harris 500 in London, die etwa unter Sethos I. geschrieben ist. entdeckt von Goodwin. Vgl. W. Max Müller, Liebespoesie.
[2] Wortspiel.
[3] Sinn vielleicht: wenn du meine Bitte erfüllst, so ist mir das so, als ob ich meine Augen mit Schminke kühle. Das Schminken der Augenränder mit Spießglanz spielt noch heute in Ägypten eine große Rolle.
[4] Wortspiel; ob der Sinn ist: man fühlt sich vor den kleinen Blumen groß?
[5] d.h. so süß wie der.
[6] Wortspiel; wohl die Kränze, mit denen er beim Gelage geschmückt war.

Unbekannter Verfasser, aus dem Neuen Reich, 1532 bis 1070 v. Chr.
Übersetzer: Adolf Erman, 1854-1937



Die Bäume im Garten [1]

- - - - Der . . . Baum redet: Meine Körner gleichen ihren Zähnen und meine Gestalt [2] ihren Brüsten. (Ich bin der Beste) des Baumgartens, ich bleibe zu jeder Jahreszeit, dass die Schwester mit ihrem Bruder (unter mir ruhe?), wenn sie trunken sind von Wein und Schedehtrank und benetzt mit Kemiöl. - - - - Alle (Bäume) vergehen außer mir in dem Garten, ich dauere zwölf Monate lang - - - - ich stehe . . . und fällt die Blüte ab, so ist sie die des vorigen Jahres noch an mir [3].

Ich bin der erste von allen Bäumen und will nicht, dass man mich als zweiten ansehe. Wenn man das noch einmal tut, so werde ich nicht mehr schweigen und werde sie verraten, dass man den Frevel, sehe und die Geliebte züchtige, dass sie nicht - - - - . Dann ist vom Gelage die Rede mit Lotusblumen, Blüten und Knospen, mit Salbe und mit Bier von allen Arten, dass sie dich [4] den Tag schön verbringen lasse. Die Laube aus Schilf ist ein geschützter Ort - - - - (Ich) sehe ihn, wie er wirklich kommt, lass und gehen und ihm schmeicheln. Möge er den ganzen Tag verbringen - - - -

Der Feigenbaum bewegt den Mund und sein Laubwerk (?) kommt und sagt: - - - - - zu der Herrin. Gab es je eine Dame wie mich? (aber) wenn du [5] keine Sklaven hast, so bin ich der Diener.
Ich bin aus . . . land gebracht als Beute für die Geliebte; sie hat mich in ihren Baumgarten setzen lassen, sie legt mir nicht - - - - . Ich (beschäftige?) mich mit Trinken und mein Leib ist nicht voll geworden von Brunnwasser [6].
Man findet mich zum Vergnügen, - - - -dem der nicht trinkt. Bei meinem Ka! du Geliebte, - - - - bringt mich vor dich.

Die kleine Sykomore, die sie mit der Hand gepflanzt hat, die bewegt ihren Mund zum Reden. Das Flüstern (?) ihrer Blätter ist süß wie geläuterter Honig. Wie schön sind ihre hübschen Zweige; die grünen wie . . . Sie ist beladen mit Nekufrüchten, die röter sind als Jaspis. Ihr Laub gleicht dem Malachit und ist . . . wie Glas.

Ihr Holz hat eine Farbe wie der Neschmetstein [7] und ist . . . wie der Besbesbaum. Sie holt die, die nicht unter ihr sind [8], ihr Schatten ist kühl.
Sie legt ein Briefchen in die Hand einer Kleinen, der Tochter ihres Obergärtners und lässt sie zu der Geliebten eilen: "Komm und weile inmitten deiner Mädchen (?). Der Garten ist an seinem Tage [9]; Laube und Hütte(?) sind für dich da(?); meine Gärten freuen sich und jubeln, wenn sie dich sehen. Schick deine Sklaven vor dir her, versehen mit ihren Geräten. Man ist (freilich schon) trunken, wenn man zu dir eilt, ehe man noch getrunken hat, (aber) die Diener von dir kommen doch mit ihrer Zurüstung und bringen Bier von jeder Art und allerlei Brot gemischt und viele Blumen von gestern und heute und allerlei erquickende Früchte.
Komm und verbringe den Tag heut schön und morgen und übermorgen, drei Tage lang, und sitze in meinem Schatten." Ihr Freund sitzt zu ihrer Rechten, sie macht ihn trunken und folgt allem, was er sagt. Das Gelage wird in Trunkenheit verwirrt und sie bleibt mit ihrem Bruder zurück.
Ihr . . . ist unter mir ausgebreitet, wenn die Schwester bei ihren Spaziergängen ist [10]. Ich aber bin verschwiegen und sage nicht, was ich sehe. Ich werde kein Wort sagen.

[1] Papyrus in Turin. Entdeckt 1886 von Maspero. - Vgl. W. Max Müller, Liebespoesie.
[2] d.h. wohl die Gestalt der Früchte, nicht die des Baumes.
[3] Also ein Baum, der das ganze Jahr blüht.
[4] den Geliebten, der gerade kommt.
[5] der Geliebte; der Baum will sie bedienen. Er kann um so mehr als Sklave gelten, als er wie ein solcher aus der Fremde zum Dienste des Mädchens gebracht ist. - Es handelt sich demnach nicht um einen gewöhnlichen ägyptischen Feigenbaum.
[6] er kann immerfort trinken, so gut wie er begossen.
[7] weißblauer Feldspat.
[8] Sinn: sie lockt die Leute in den Schatten.
[9] in voller Blüte.
[10] Wenn die Gäste trunken sind, ergehen sich die Liebenden im Garten und lagern sich unter dem Baum.

Unbekannter Verfasser, aus dem Neuen Reich, 1532 bis 1070 v. Chr.
Übersetzer: Adolf Erman, 1854-1937