Minnesänger



Walther von der Vogelweide



Die verschwiegene Nachtigall

Unter der Linden
Bei der Heide,
Wo unser zweier Bett gemacht,
Da mögt ihr finden,
Wie wir beide
Pflückten im Grase der Blumen Pracht.
Vor dem Wald im tiefen Tal,
Tandaradei!
Lieblich sang die Nachtigall.

Ich kam gegangen
Hin zur Aue -
Mein Trauter harrte schon am Ort.
Wie ward ich empfangen,
O Himmelsfraue!
Des bin ich selig immerfort.
Ob er mich küsste? Wohl manche Stund,
Tandaradei!
Seht, wie ist so rot mein Mund!

Da tät er machen
Und ein Bette
Aus Blumen mannigfalt und bunt.
Darob wird lachen,
Wer an der Stätte
Vorüberkommt, aus Herzensgrund:
Er wird sehen im Rosenhag,
Tandaradei!
Sehen, wo das Haupt mir lag!

Wie ich da ruhte,
Wenn man es wüsste,
Barmherziger Gott, ich schämte mich.
Wie mich der Gute
Herzte und küsste,
Keiner ersah es als er und ich,
Und ein kleines Vöglein -
Tandaradei!
Das wird wohl verschwiegen sein.

Walther von der Vogelweide, um 1170-1230
Übersetzer: Richard Zoozmann, 1863-1934



Tanzlied

"Nehmt, Herrin, diesen Kranz,"
Sprach ich zu einer wunderfeinen Magd,
"So zieret ihr den Tanz
Mit diesem Blumenschmuck, wenn ihr ihn tragt,
Hätt ich viel köstliche Gesteine,
Sie wären all die euern;
Lasst, Herrin, michs beteuern,
Dass ich es treulich mit euch meine!
Ihr seid so wohlgetan,
Dass ich euch gern ein Kränzlein geben will,
So gut ichs winden kann.
Ich weiß viel Blumen stehn in Hüll und Füll,
Wohl weiß und rot, fern in der Heide,
Wo lieblich sie entspringen
Bei muntrer Vöglein Singen:
Da sollten wir sie brechen beide!"

Sie nahm, was ich ihr bot,
Gleich einem Kind, das ein Geschenk beglückt!
Ihr ward die Wange rot,
Als ob die Lilie Rosenfarbe schmückt.
Den Blick sah ich sie schamhaft neigen,
Da ward mir von der Süßen
Zum Lohn ein holdes Grüßen
Und bald noch mehr: des lasst mich schweigen!

Ich glaube niemals mehr
An größre Wonne, als ich da besaß.
Es fielen auf uns her
Viel Blüten von den Bäumen in das Gras.
Ach, wie ich da vor Freuden lachte,
Weil mich mit süßen Wonnen
Das Traumbild hielt umsponnen -
Da kam der Tag und ich erwachte!

Mir ist von ihr geschehn,
Dass ich den Mägdlein all zur Sommerzeit
Nun muss ins Auge sehn,
Ob ich sie wiederfänd? o Seligkeit!
Wie? wenn sie wär in diesem Tanze?
Ihr Frauen, habt die Güte,
Rückt aus der Stirn die Hüte:
Ach - fänd ich sie doch unterm Kranze!

Walther von der Vogelweide, um 1170-1230
Übersetzer: Richard Zoozmann, 1863-1934



Erstes Erblicken

Gelobt die Stunde, da ich sei erkannte,
Die Leib und Seele mächtig mir bezwungen,
Wo ich gebannt zu ihr die Sinne wandte,
Di e sie durch ihre Tugend mir entrungen!
Dass ich ihr folgen muss, nicht anders kann,
Das wirkte ihre Schönheit, ihre Güte
Und ihres Lachemundes rote Blüte.

Walther von der Vogelweide, um 1170-1230
Übersetzer: Richard Zoozmann, 1863-1934



Rosenlese

Möcht ichs doch erleben, dass ich Rosen
Mit der Minniglichen könnte lesen;
Wollt ich doch sie herzen so und kosen,
Als ob längst wir Freunde schon gewesen.
Würde mir ein Kuss zur rechten Stunde
Von dem roten Munde,
Wär ich gleich von allem Leid genesen.

Was nützt weise Rede, was soll Singen?
Was hilft Weibesschöne, was soll Gut?
Seit man Keinen sieht nach Freuden ringen,
Seit man ohne Scheu nur unrecht tut,
Dass es milde, Treue, Zucht und Sitte
Nicht mehr bei uns litte,
Ist verzagt an Liebeslust der Mut.

Walther von der Vogelweide, um 1170-1230
Übersetzer: Richard Zoozmann, 1863-1934



Heinrich von Veldecke



Rechter Minne Verlust

Da man noch rechter Minne pflagt,
Hielt Ehre man in Ehren,
Nun aber will man Nacht und Tag
Nur arge Sitten lehren.
Wer jenes sah und dies danach,
Wohl bitter drüber klagen mag,
Dass sich die Zucht will kehren.

Heinrich von Veldecke, um 1170
Übersetzer: Richard Zoozmann, 1863-1934



Wernher von Tegernsee



Minnesänger Liebesgedichte Liebesreim

Ich bin dein,
Du bist mein,
Des sollst du gewiss sein.
Du bist beschlossen
In meinem Herzen,
Verloren ist das Schlüsselein:
Nun musst du immer
Darinnen sein.

Wernher von Tegernsee, um 1170
Übersetzer: Richard Zoozmann, 1863-1934



Herr Wilhelm von Heinzenburg



Die Harte

Es sagt ein Wort aus alten Zeiten,
Nichts sei so hart als der Demant.
Ich aber muss dies Wort bestreiten:
Denn wem mein Liebchen recht bekannt,
Der schölte härter ihren Sinn!
Was ich sang,
Was ich tat,
Was bedang
Oder bat -
Hart bleib sie stets nach ihrer Sitte.
Nun ratet, ob ich länger bitte,
Denn die Geduld ist mir dahin!

Herr Wilhelm von Heinzenburg, um 1260
Übersetzer: Richard Zoozmann, 1863-1934



Gösli von Ehenheim



Winterlied

Jetzt strebt der Feind der Blütenfülle,
Dass er sein Zürnen uns enthülle;
Hört, wie er fährt mit Sturmgebrülle
Hin übers Waldgefilde.
Es hält ihm niemand Widerpart,
Er greift mit Händen rau und hart
Die Blumen alle, bunt und zart
Und kennet keine milde.
Entblättert stehn die muntern Auen,
Die Vögel bergen sich alsbald;
Ihr helles Loblied ist verhallt,
Das macht der Winter grimm und kalt,
Doch ich sing meiner Frauen.

Sie ist so tugendlich und milde,
Von der ich trag das bild im Schilde;
Ein Röslein rot im Dorngefilde
Ist sie bei andern Frauen.
Im Herzen mein lebt sie fürwahr,
Sie ist an Tugend rein und klar,
Und wenn ich lebte tausend Jahr,
Kann sie genug nicht schauen.
Drum werb ich treu nach ihren Hulden;
Und nimmt sie mich zum Diener an,
Bin ich ein reich beglückter Mann;
Was ich an Heil gewinnen kann,
Das will ich wohl verschulden1

Sie ist so reich an edler Tugend,
Geschmückt mit Anmut und mit Jugend,
Und nicht nach anderm Ziele lugend
Will dienen ich der Einen!
Für sie allein schlägt in der Brust
Das Herz mir, ihr noch unbewusst,
Und dies nur trübt mir noch die Lust;
Doch wird ihrs bald erscheinen.
Wie rein und gut ist sie zu sehen;
Und wird mirs noch nicht zum Gewinn,
So denk ich doch in meinem sinn:
Wenn ich erst etwas dreister bin,
Dann werd ichs ihr gestehn!

Gösli von Ehenheim, um 1226-1250
Übersetzer: Richard Zoozmann, 1863-1934



Herrn Rudolf von Rotenburg



Beständigkeit

Die ich vor allen Frauen
Als schönste konnt erschauen,
Will die mich denn verderben so?
Was soll mich ferner machen froh?
Hält dies für Sünde nicht, wenn sie dies täte?

Ich widme ihr in Treue
Stets meinen Dienst aufs neue;
Sie ist ein Spieglein hell und klar,
Und härter als ein Demant gar,
Nichts zwingt mich, dass aus ihrem Dienst ich träte!

Herrn Rudolf von Rotenburg, um 1257
Übersetzer: Richard Zoozmann, 1863-1934



Alles um sie

Heil der Minne,
Die die Sinne
Mir belehret
Und sie kehret
Nach der einen hin allein,
Die man auf der Welt als Beste kennt!

Heil der Güte,
Ihr Gemüte
Kann es machen,
Dass mir lachen
Muss das Herz im Leibe mein,
Wenn man ihren Namen vor mir nennt!

Eh den Kummer,
Den ich Dummer
Muss erdulden
Ohn Verschulden,
eh ich ohne ihn wollt sein,
Lieber wollt ich: Rom und England brennt!

Herrn Rudolf von Rotenburg, um 1257
Übersetzer: Richard Zoozmann, 1863-1934



Meister Johannes Hadlaub



Im grünen Klee

In dem grünen Klee
Sah ich die holde gehn;
Ach, wie ward mir wonnevoll!
Aus dem Blütenschnee
Fühlt eine Glut ich wehn,
Die hinein ins Herz mir quoll.
Sie, die Blume,
Und die Blumen klein
Leuchteten einander an mit Ruhme,
Dass die sonne hell aufging -
Nie umfing
Mich so lichter Schein.

Hilf mir, Herrin gut,
Durch deine Würdigkeit,
Dass ich nicht verderbe so.
Deine Kälte tut
Mir an so bittres Leid,
Dass ich niemals werde froh.
Deine Güte
Sinke sonnenklar
Und erwärmend mir in mein Gemüte,
Lass verschwinden deinen Hass!
Tust du das,
Bin ich sorgenbar!

Meister Johannes Hadlaub, um 1293
Übersetzer: Richard Zoozmann, 1863-1934



Der Tannhäuser



Leichte Bedingungen

Die Herrin will belohnen mir
Die Dienste, die ich ihr geweiht,
Das sollt ihr alle danken ihr:
Denn jetzt gibt sie mir gute Zeit!
Umdrehen soll ich ihr den Rhein,
Dass er statt nach von Koblenz geh,
Dann will sie mir zu Willen sein!
Und bring ich Sand ihr aus der See,
Dort wo zur Ruh die Sonne sinkt,
Dann gibt sie ihren Lohn mir gern:
Doch hat sie noch dazu bedingt
Vom Himmel sich den Abendstern! -
Mir ist zumut
Was sie mir tut,
Das soll mich alles dünken gut.
Sie war bei mir wohl auf der Hut,
Die Reine,
Die Feine!
Denn außer Gott alleine
Kennt niemand sonst die Eine,
Die Herrin, die ich meine!

Ich soll den Mond um seinen Glanz
Berauben, ehe sie mich liebt;
Umgraben auch die Erde ganz,
Bevor sie Minnelohn mir gibt.
Und könnt ich fliegen wie ein Star,
Die Gute täte, was mein Glück,
Und hoch hinschweben wie ein Aar
Und Sperre brechen tausend Stück
Auf einmal wie Herr Gamuret
Mit reicher Tjost vor Kamvoleis,
Sie täte dann, was ich erfleht,
Und schenkte mir der Minne Preis! -
Mir ist zumut,
Was sie mir tut,
Das soll mich alles dünken gut.
Sie war bei mir wohl auf der Hut,
Die Reine,
Die Feine!
Denn außer Gott alleine
Kennt niemand sonst die Eine,
Die Herrin, die ich meine!

Nähm ich der Elbe Prall und Schwall
(Seht, wie ihr Herz so tugendreich!)
Der Donau ihren Hall und Schall,
So gäbe sie den Lohn mir gleich.
Doch müsst ich holen aus der Glut
Den Salamander noch vorher:
Gelingt mir dies, will wohlgemut
Und gern sie stillen mein Begehr.
Und kann ich Regen, Wind und Schnee
Abschaffen, wie sie mir gebot,
Dazu den Sommer und den Klee,
Dann tilgt sie sanft mir alle Not! -
Mir ist zumut,
Was sie mir tut,
Das soll mich alles dünken gut.
Sie war bei mir wohl auf der Hut,
Die Reine,
Die Feine!
Denn außer Gott alleine
Kennt niemand sonst die Eine,
Die Herrin, die ich meine!

Der Tannhäuser, um 1240-1270
Übersetzer: Richard Zoozmann, 1863-1934



Heinrich Hezbold von Weißensee



Der spitze Mund

Wohl mir der Stunde
Von rotem Munde
Mir Liebes geschah;
Ein zartes Lachen
Sah lieblich machen
Den Schelm ich da.
So spitzte der Nymphe
Das Mündlein sich,
Als sagte sie fünfe
Gar säuberlich.

Ach wer ihn küsste!
Fürwahr, der wüsste
Nichts mehr von Not.
Dies Lächeln lose
Schuf eine Rose
Nie halb so rot!
Hals und Hände
Sind weißer als Schnee,
Was tust du ohn Ende,
Lieb Trautchen, mir weh?

Willst du mich zwingen,
Dass ich dir singen
Soll offenbar?
Tröst mich, du Eine,
Die ich nur meine
In Treuen fürwahr!
Mein Zuckertrautchen,
Bring Hilfe mir:
Ganz Herzensbrautchen,
Gehör ich dir!

Heinrich Hezbold von Weißensee, um 1250
Übersetzer: Richard Zoozmann, 1863-1934



Kaiser Heinrich VI.



Gruß an die Geliebte

Ich grüße mit Gesang die Süße,
Die ich nicht lassen kann und mag.
Seit ich von Mund zu Mund sie grüße,
Ach, leider her ists manchen Tag.
Wer dieses Lied nun singt von ihr,
Die ich mit Schmerz vermisse hier,
Seis Weib, seis Mann, der grüße sie damit von mir.

Mein sind die Länder in der Runde,
Wenn ich der Holden nahe bin,
Doch wenn mir schlägt der Trennung Stunde,
Ist all mein Macht und Reichtum hin.
Nur Schmerz und Leid ist dann mein Hab,
In mir steigt Freude auf und ab,
Und dieser Wechsel, glaub ich, dauert bis ans Grab.

Da ich sie nun herzinnig minne,
Und sie getreu zu jeder Zeit
Im Herzen trage und im Sinne,
Wenn manchmal auch mit Sehnsuchtsleid,
Was gibt die Liebe mir zum Lohn?
So holder Dank ward mir wohl schon,
Eh ich sie ließ, viel eher ließ ich selbst die Kron.

Der sündigt schwer, der mir nicht glaubte,
Ich säh mit ihr manch frohen Tag
Auch ohne Krone auf dem Haupte;
Nicht anders ja ich leben mag.
Verlör ich sie, was hätt ich dann?
Wär kein Gesell für Weib noch Mann,
Mir läge ja mein liebster Trost in Acht und Bann.

Kaiser Heinrich VI., um 1185
Übersetzer: Richard Zoozmann, 1863-1934



Der von Kürenberg



Trennung

Es kommt mir tief von Herzen,
Zu weinen jetzt durch Leiden,
Ich und mein Herzensliebster
Wir müssen uns nun scheiden.
Das machen all die Merker,
Gott sende ihnen Leid,
Wenn man uns zwei versöhnte,
Das gäb mir Freudigkeit.

Der von Kürenberg, um 1120
Übersetzer: Richard Zoozmann, 1863-1934



Dietmar von Aist



Im Lenz

Ahi, nun kommt die schöne Zeit
Mit kleiner Vögelein Gesang,
Die Linde grünet weit und breit,
Vergangen ist der Winter lang.

Rings auf der Erde ausgestreut
Sind mannigfaltige Blümelein,
Davon wird manches Herz erfreut,
So sollt auch meins getröstet sein.

Und oben auf dem Lindenbaum
Sang hold ein kleines Vögelein,
Da ward es laut am Waldessaum.
Da schwang sich auf das Herze mein.

Es flog dahin, wo einst es war,
Wo blühende Rosenbüsche stehn,
Die wecken viel Gedanken gar,
Die alle hin zur Liebsten gehn.

Dietmar von Aist, um 1140-1171
Übersetzer: Richard Zoozmann, 1863-1934



Heimliches Glück

Wir haben die lange Winternacht
Mit Freuden wohl empfangen,
Ich und ein Ritter wohlbedacht;
Sein Wille, der ist ergangen.
Wie wir es uns geträumt, hat sacht
Und lieb ers an ein End gebracht
Mit mancher Freude und Liebe viel:
Er ist, wie ihn mein Herze will.

Dietmar von Aist, um 1140-1171
Übersetzer: Richard Zoozmann, 1863-1934



Erinnerung

Es dünkt mich wohl tausend Jahre,
Dass dem liebsten im Arm ich lag,
Ach, ohne mein Verschulden
Blieb fern er manchen Tag.
Seit ich keine Blumen gesehen,
Nicht hörte der Vöglein Gesang,
Ward kurz mir alle Freude,
Mein Jammer ward allzu lang.

Dietmar von Aist, um 1140-1171
Übersetzer: Richard Zoozmann, 1863-1934



Heinrich von Meißen



Frauenlob

So steh ich hier vor werten Fraun voll Reine
Und sing ihr Lob mit manchem Tone;
Die ich mit Treuen meine,
Sie tragen wohl der Ehren Krone.
Wo ward ihr Lob je nach Gebühr bemessen?
Und soll ich jetzt von zarten Frauen singen,
So mögt ihr hören, ob ichs kann,
Gott geb, es müsst gelingen:
Ich wollt, es lebte nie ein Mann,
Der gegen eine Frau sich hätt vergessen.
Ich lob die Frauen früh und spät,
Ihr Lob, das will ich immer mehren,
Wer Fraun den Preis nicht zugesteht
Und wer mich wollt von Fraunenlob abkehren,
Den wollt ich fortan im Gesange schelten.
Ich lob die werten Frauen zart,
Sie können reichlich alles Leid vergelten.

Heinrich von Meißen, 1270-1317
Übersetzer: Richard Zoozmann, 1863-1934